Zuletzt aktualisiert am 5. Juli 2015
Stadtgeschichte 425 Schützenjahre / Mutige Oerlinghauser fanden immer einen Weg zum Feiern
Die Oerlinghauser Schützen waren sauer – damals im Jahre 1590. Sie wollten auf einen Vogel auf der Stange schießen, viel gutes Bielefelder Bier dabei trinken und ein schönes Fest feiern, wie schon in den Jahren zuvor. Doch der heimtückische Vogt Heinrich Tofall, der Ortsvorsteher, hatte ihnen das Vogelschießen verboten. Obwohl die Genehmigung von Graf Simon VII aus Detmold vorlag.
Jeder in Oerlinghausen wusste, dass der unbeliebte Vogt nur deswegen eine Geldstrafe verhängt hatte, weil seiner Mutter, die eine Schankwirtschaft betrieb, das Bier ausgegangen war und sie deshalb einen Verdienstausfall durch fremde Lieferanten fürchtete.
Doch letztlich haben sich die mutigen Schützen wohl gegen ihren Vogt durchgesetzt und in diesem Jahr eine Schützengesellschaft gegründet, wie schon die Bürger in Lemgo, Salzuflen oder Blomberg in jener Zeit. Das war der Startpunkt für eine höchst wechselvolle aber letztlich sehr lange Erfolgsgeschichte der Oerlinghauser Schützengesellschaft.
Da „das Vogelschießen aus abergläubischen Wesen herrührt“ wurde es 1658 nach dem 30-jährigen Krieg verboten. Doch auch hier fanden die Schützen einen Ausweg, man schoss auf die Scheibe. Noch für ganz viele Jahre stand das Scheibenschießen im Mittelpunkt des Schützenfestes.
Die Schützen feierten ihr beliebtes Fest seinerzeit auf dem „Papagäu“, einem unbebauten Platz in der Mitte zwischen dem späteren Stadthotel und dem Röden – so genannt nach dem Papagei, einem geflügelten Wort für den Vogel, den man von der Stange holen wollte. Doch immer wieder gab es einen Ortswechsel. Mal auf einem Festplatz an der heutigen Jugendherberge, wo der Sturm schon mal die Zelte den Berg hinab wehte, mal im Menkhauser Bruch. Letztlich kam die Lösung, der Platz am Steinbült. 1872 wurde der Schützenplatz dort an seiner heutigen Stelle mit Bäumen umpflanzt.
Seither finden Oerlinghauser Schützenfeste immer an gleicher Stelle statt. Abgerundet wurde der schön gelegene Festplatz im Jahre 1893 durch ein Geschenk von Emil Steinmeister vom Gut Menkhausen, der der Gesellschaft einen Grundstückstreifen, den oberen Teil des heutigen Schützenplatzes, überließ.
Information
Kirmes auf Bethlehem
Den Kirmesplatz des Schützenfestes kaufte die Gesellschaft als „Vergnügungspark“ von Fräulein Emma Friedhof im Jahre 1925. „Bethlehem“ wurde er genannt. Zurückzuführen ist der Name offenbar auf eine Auslandsreise des Uhrmachers Sprenger, der in Palästina die heilige Stätte kennengelernt hatte und nun ständig den hübsch gelegenen Platz mit Betlehem verglich.
Auch das Kinderschützenfest hat in der Bergstadt eine lange Tradition. Bereits im Jahre 1925 wurde es zum ersten Mal gefeiert. Von Beginn an kümmerte sich das Unteroffizierskorps um die Organisation und die Ausgestaltung.
Natürlich konnten die Oerlinghauser nicht in jedem Jahr ein Schützenfest feiern, denn oftmals verhinderten Kriege, Notzeiten oder andere Umstände das weithin bekannte und beliebte Volksfest. Seit 1951 allerdings – nach Ende der Einstellung durch den Zweiten Weltkrieg – finden ununterbrochen Ende Juni und Anfang Juli das Kinderschützenfest und das „große“ Schützenfest statt.
Kuriose Geschichte(n)
Mord und Totschlag vermeiden
Zur Sommerkirmes 1746 setzte die Obrigkeit wieder einmal die Schützen als Sicherheitskräfte ein, um „Schläger und Tumultanten auseinander zu bringen und Mord und Totschlag zu vermeiden“. Als 50 marodierende preußische Soldaten in Oerlinghausen eindrangen, stellten sie sich ihnen tapfer entgegen. Das Protokoll vermeldete anschließend: „Vier Schützen und viele Einwohner wurden mehr oder weniger schwer verletzt.“
Ortsmusikus durfte nicht spielen
Ein ortsfremder Musiker spielte 1861 erstmals zum Schützentanz auf. Der Detmolder Militärmusiker Beckmann und seine Acht-Mann-Kapelle wurden für 52 Taler verpflichtet. Zusätzlich musste die Schützengesellschaft aber 10 Taler Abstandssumme an den Ortsmusikus Festing zahlen, da er nicht spielen durfte. Sein „Musik-Monopol“ wurde übrigens im nächsten Jahr ganz aufgehoben.
Schützenhut statt Schützenhalle
Eine Schützenhalle zum Preis von 12.000 Mark beschloss die Gesellschaft im Jahre 1891 auf dem Tönsberg zu errichten. Das Projekt scheiterte, weil das Geld nicht ausreichte. Stattdessen wurde in diesem Jahr die Einführung eines Schützenhutes statt der üblichen weißen Mütze gefördert.
Ein Bier für 800 Mark
Schreckliche Inflationszeit: Beim Schützenfest 1923 musste das Bier schnell getrunken werden, denn im Zuge der galoppierenden Inflation wurde das Geld von Tag zu Tag wertloser. Ein kleines Bier kostete am Schützenfestmontag 800 Mark. Im November 1923, auf dem Höhepunkt der Inflation, kostet ein Bier übrigens 4 Milliarden Mark.
Quelle: Neue Westfälische