Zuletzt aktualisiert am 24. Juni 2018
Schützengesellschaft: Warum Schützenkönig Martin Krause mit dem Schmuckstück Bodenhaftung behält. Stationen aus seiner 175-jährigen Geschichte.
Woran ist ein Schützenkönig zu erkennen? Natürlich an seiner prächtigen Kette. Dieses Herrschaftszeichen der Oerlinghauser Schützengesellschaft wurde 1843 angefertigt, vor 175 Jahren. Damit setzte zugleich eine neue Zeitrechnung ein.
Obwohl das Schützenwesen in der Bergstadt sogar bis 1590 zurückreicht, begann damals das Vereinsleben nach modernen Maßstäben. In diesem Jahr wird das Schützenfest in Oerlinghausen vom 30. Juni bis 2. Juli gefeiert. Das Kinderschützenfest findet bereits an diesem Sonntag statt.
Auffälligster Blickfang der Kette aus echtem Silber ist eine etwa zehn Zentimeter große Adlerfigur. Das Tier hält eine angedeutete Papierrolle hoch, auf der das Datum 26. Juni 1843 und die Ortsbezeichnung „Örlinghausen“ eingraviert sind.
Wer die Kette als Erster tragen durfte, ist nicht mehr bekannt. „Wir wissen jedoch, dass in jenem Jahr der Startschuss erfolgte für das Vereinsleben im engeren Sinne“, erklärt Patrick Bockwinkel, zweiter Vorsitzender und Presseoffizier der Oerlinghauser Schützengesellschaft.
Denn vor 175 Jahren wurden erstmals feste Regeln aufgestellt. Wer darf überhaupt am Schießen teilnehmen? Wer organisiert das nächste Fest? All diese Statuten sind nach wie vor gültig.
Die Medaillen an der Kette erzählen mitunter Geschichten
Zunächst wurde noch auf eine Scheibe geschossen, wenig später wieder ein Holzadler anvisiert. Im Zuge der allgemeinen demokratischen Reformbewegung wurden 1869 in Oerlinghausen die Königswürde und der Hofstaat abgeschafft. Anstatt die Monarchie zu imitieren, wurden die drei besten Schützen geehrt.
„Auch diese Regel hat sich nicht gehalten“, sagt Bockwinkel. Im Jahr 1872, als die Gesellschaft ein eigenes Gelände am Steinbült erhielt, kehrten sie zur Tradition des Schützenkönigs zurück. „Das Vogelschießen, der König und seine Kette sind bis heute die zentralen Elemente des Schützenfestes.“
Die Statuten legen zudem fest, dass jeder Schützenkönig der Kette eine weitere Medaille hinzufügen muss. Wurden in der Anfangszeit eher militärische und jagdliche Motive mit Orden und Waffen und gewählt, so sind die Anhänger inzwischen recht individuell gestaltet.
So erinnert die Plakette von Friedel Plass, Schützenkönig des Jahres 1994/95, an den Tunneldurchstich am 24. Mai 1995, 17.35 Uhr. Rolf Hilker (2012/13) verweist auf seine „Stadtschänke“, David Owen (2004/05) ließ sehr diplomatisch einen Union Jack, eine lippische Rose und die Europa-Sterne eingravieren. Der Anhänger von Frank Becker (2013/14) erzählt eine regelrechte „Kurzgeschichte“: Ein Segelflugzeug, die Sparrenburg, die lippische Rose und ein Bogenschütze sind zu erkennen, die symbolisierten Sonnenstrahlen verweisen auf die Anzahl seiner Throndamen. Die zahlreichen Anhänger machen die Kette jedes Jahr schwerer, derzeit bringt sie 2,5 Kilogramm auf die Waage. „Ich trage sie im Hinblick auf die lange Geschichte mit Stolz“, meint der aktuelle Schützenkönig Martin Krause. Das Gewicht stelle kein Problem dar und mit Augenzwinkern fügt er hinzu: „Bei dem Gewicht verliert man nicht die Bodenhaftung.“
Mit 2 Kilogramm ist die Kette von Königin Karin Schäfer nur wenig leichter. Das Zeichen ihrer Würde wurde 1883 angefertigt. Bei offiziellen Anlässen müssen die Schützenketten selbstverständlich angelegt werden.
„Wir haben den Grundsatz, dass dann immer jemand mitkommt – egal wohin“, sagt Karin Schäfer. Das sei schon aus praktischen und aus Sicherheitsgründen von Vorteil. Die drei Thronadjutanten Tilmann Schmandt, Jan Gnass und Sebastian Gnass haben bei Feiern und Empfängen stets ein Auge auf die wertvollen Stücke.
In der Zwischenzeit werden beide Ketten in der Goldschmiede Hess und Rickert sicher verwahrt. Hier lässt das Königspaar auch die neuen Anhänger anfertigen. Verraten wollen sie ihre Motive aber noch nicht. Das Geheimnis wird erst am Schützenfestsonntag gelüftet, wenn sich das Königspaar Martin Krause und Karin Schäfer beim Konzert in festlicher Kleidung zeigen wird. „Schade nur, dass wir die Kette mit unserem eigenen Orden nur an einem Tag tragen dürfen“, sagt die Schützenkönigin.
Quelle: Neue Westfälische