Wie das Oerlinghauser Schützenfest amtlich geregelt wurde

Zuletzt aktualisiert am 3. Juli 2018

Stadtgeschichte: Seit den 1840ern wurde endlich „ordentlich“ Schützenfest gefeiert. Es waren fröhliche Feste, auch wenn der Ortsmusikus lausig spielte oder die Kanonen kaputt waren

Zapfenstreich: Antreten des Schützenbataillons im Jahre 1924 vor dem Amtsgericht gegenüber vom Rathaus (heute Stadthotel). In den Gewehrmündern stecken Blumen.

Endlich kam Ordnung in die Oerlinghauser Schützenfeste – damals in den 1840er Jahren. Zum ersten Mal stellte man im kleinen Bergdorf am Tönsberg wichtige Regeln auf: über den Festverlauf, das Königsschießen, die Wahl der „nöthigen Officiere“ und auch über eine sparsame Geldverwendung. Vorbei war die Zeit der wilden Gelage nach Grenzschutz-Einsätzen gegen Schmuggler oder preußische Soldaten. Auch die zügellosen Feste nach Schießübungen, bei dem schon mal die Schützenfahne zerstört wurde, wollten die damaligen Ortsvorsteher hinter sich lassen.

Nun, am 3. Juli des Jahres 1843, so steht es in einer alten Chronik, erschienen vor dem „Lippisch-Fürstlichen Amt“ ein Dutzend angesehene Oerlinghauser Bürger, die sich verantwortlich fühlten für ein geregeltes Schützenfest: 1. der Vorsteher und Kaufmann Hildebrand, 2. der Vorsteher und Gastwirt L. Nagel, 3. der Fuhrmann A. Gröppel, 4. der Linnenhändler Christian Hölter, 5. der Glaser Gröppel, 6. der Raseur (Friseur und Bartschneider) Reuter, 7. der Linnenhändler Niemeyer, 8. Friedrich Hölter, 9. Christian Schütte, 10. Kaufmann Karl Tölke, 11. Linnenhändler Franz Friedrich Becker und 12. Bäcker und Commerciant (Geschäftsmann) Tellmann. In elf Grundregeln legten sie amtlich fest, wie es in der Schützengesellschaft künftig laufen solle.

Anfangs gab es noch einen silbernen Vogel oder silberne Löffel

„Derjenige Schütze, welcher den besten Schuß gethan, werde König“ hieß es in den neuen Statuten, wobei anfangs noch auf eine „Königsscheibe“ geschossen wurde. Als Ehrenzeichen erhalte er einen neu angefertigten silbernen Vogel. Der Zweitbeste werde Kronprinz. Er bekomme als Auszeichnung „ein halbes Dutzend silberne Theelöffel“. Der drittbeste Schütze wurde zum Graf ernannt, er erhielt einen „silbernen Esslöffel“. Der Vorstand, wie auch der Thron, müsse aus der Gemeinde Oerlinghausen stammen, lauteten die Regeln. Als „Festgenossen“ seien nur Menschen zugelassen, die nicht durch „Altersschwäche, körperliche Gebrechen oder Kränklichkeit gehindert seien.“

Das erste neue Schützenfest startete zwei Jahre später am 1. und 2. Juni 1845 auf dem „Papagäu“ unter den großen Buchen. Dieser Festplatz lag zwischen Hermannstraße und Detmolder Straße unweit vom Röden. Doch bereits in der Woche zuvor gab es intensive Vorbereitungen. Damit der Festmarsch auch klappte, übten die Schützen das „Exercieren“. Dann holten sie die Böllerkanonen zum „Bombardieren“ vom Gut Barkhausen ab, die man ihnen leihweise zur Verfügung stellte. Schließlich stellten die Schützen die Königsscheibe auf. Das Ganze lief auch hier mit vielen Krügen Bier und mit „Bajazzo“, also mit musikalischer Begleitung, ab.

Unter Führung von „Commandeur“ Gröppel zog dann der sonntägliche Festmarsch durch Oerlinghausen. Allen voran „Tambour“ Schimmel mit seinem Stab, dann der „Ortsmusikus“ mit seiner Kapelle, bestehend aus Trommel, Flöte, Violine, Horn und „Brummbass“.

Die Musik im Festzelt am Abend lieferte Ortsmusikus Festing für 22 Taler, dafür musste er acht Musiker stellen. Der Festwirt wurde verpflichtet, ein „geräumiges Schankzelt“ zu liefern, das Bier war aus der Beckerschen Brauerei (im heutigen Bürgerhaus) zu beziehen.

Am Montagmorgen zwischen 4 und 5 Uhr wurde bereits mit lautem Getöse „bombardiert“, um 7 Uhr begann das Königsschießen. Die Königswürde errang in jenem Jahr Fritz Berkemeier, zur Königin erwählte er sich Fräulein Jette Krohme.

Rückmarsch: Riesenstimmung herrschte am Schützenfestmontag 1956. Hermann Heidschuster (Kockherm, l.) führt den Zug vom Festplatz in die Stadt. Dahinter mit Tambourstab Herbert Nier, als „Schütze“ Hermann Diekhof und rechts Margret Niemann.

Eine dreijährige Schützenfestpause gab es ab 1847. Doch dann 1850 fand ein Ortswechsel statt. Der neue Festplatz lag nun auf dem Tönsberg – auf einer geebneten Fläche etwa dort, wo heute die ehemalige Jugendherberge steht. Erstmals wurde auch auf einen Vogel geschossen: „Wer den Vogel herabschießt, ist Schützenkönig, die Krone macht den Kronprinz, das Scepter den Grafen“, hieß es in den geänderten Vorschriften.

Schon bald allerdings waren die Schützen es leid, den steilen Tönsberg vor allem in angetrunkenen Zustand hinauf oder hinab zu steigen. Ein starker Sturm hatte zudem einmal das Zelt ins Tal geweht. Es gab einen weiteren Ortswechsel für das Schützenfest. Nun stellt man das Festzelt im Menkhauser Bruch auf, etwa dort wo heute der Bruchweg liegt. Schließlich kam 1872 die endgültige Lösung: der Platz am Steinbült wurde gefunden, auf dem seither das Schützenfest gefeiert wird.

Ein ständiger Stein des Anstoßes bildete offenbar der Auftritt von Ortsmusikus Festing, der sämtliche „musikalischen Aufwartungen“ lieferte. Von guter Konzertmusik könne nicht die Rede sein, verraten Protokolle aus dieser Zeit. Es komme offenbar nur darauf an, beim Tanz den nötigen Takt und beim Marschieren den richtigen Tritt zu haben. Für „vorzügliche Marsch- und Konzertmusik“ verpflichtete man 1861 deshalb erstmals eine Kapelle aus Detmold. Allerdings musste die Schützengesellschaft dem Ortsmusikus zehn Taler „Abstand“ als Vergütung für seinen Verdienstausfall zahlen. Immer wieder fiel ein Schützenfest wegen Geldmangel oder anderer widriger Umstände aus. Auch Kriegszeiten verhinderten oftmals lustige Feste. Schon beim deutsch-französischen Krieg 1870/71 war den Oerlinghauser Schützen nicht nach Feiern zumute. Stattdessen bepflanzten sie den Festplatz mit einer Vielzahl von Linden und Akazien.

Doch dann, ab 1872, ging es wieder richtig los mit den fröhlichen Festen. Allerdings mussten die Schützen drei neue Böllerkanonen von der Holter Eisenhütte beschaffen. Der Grund: Die alten Kanonen waren durch das viele Freudenschießen nach dem Sieg über Frankreich total zerschossen und für die Böllerschüsse beim Schützenfest nicht mehr zu gebrauchen.

Quelle: Neue Westfälische

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