Das Comeback der Schützen

Zuletzt aktualisiert am 2. Juli 2017

Stadtgeschichte: Erst im Jahre 1951 konnte nach dem Krieg wieder ein Schützenfest in Oerlinghausen gefeiert werden – ein Auftakt mit „Preußens Gloria“ und neuem König Wolfgang Zorn

Schützenpremiere: Fröhliche Gesichter sind am Schützenfestmontag 1951 zu sehen, als König Wolfgang Zorn und Königin Elisabeth Niestrath sich inmitten der vielen Gäste vorstellten

Der 1. Juli 1951 – ein denkwürdiger Tag an einem außergewöhnlichen Wochenende in Oerlinghausen. Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg zogen an jenem Sonntag wieder fröhliche Schützenbrüder durch die Straßen der Bergstadt. Nach 12 Jahren Zwangspause bestimmten die grün-weißen Fahnen, die grau-grünen Schützenjacken und die langen Federhüte das Bild der Stadt, mit einem Thronstaat in Pferdekutschen und Blasmusik von der Kapelle Baule aus Lemgo.

Es herrschte bestes Wetter, war aber ein wenig frisch an diesem ersten Julitag am Tönsberg. Freundlich lächelnd und nach allen Seiten huldvoll winkend marschierte das Oerlinghauser Schützenkönigspaar, Carl Plaßmeyer und Helene Gräber, das bereits 1939 die Königswürde errang, langsam vom Mariannenstift bis zum Schützenplatz durch das Spalier der wartenden Zuschauer.

Sie wurden begleitet von den Thronadjutanten Heinz Risse und Reinhard Timpe, einem Schwiegersohn von Plaßmeyer. Wegen der schlechten Zufahrt hatte man die Kutschen am Krankenhaus stehen gelassen. Der gesamte Thron und die Throndamen in langen Kleidern gingen die letzten Meter am Steinbült zu Fuß zum Festplatz. Marschmusik, Schießen mit Gewehren und militärisches Auftreten waren nicht unumstritten so kurz nach dem Ende des Krieges. Zwar hatte die englische Besatzungsmacht erstmals wieder ein Fest mit Königschießen erlaubt, doch auch viele Oerlinghauser standen dem ersten Nachkriegs-Schützenfest skeptisch gegenüber. Heinz Risse erinnert sich: „Dass dein Sohn bei so etwas mitmacht, haben manche Leute zu meinem Vater gesagt, wo er doch selbst auch im Krieg war.“ Doch viele Bürger seien an der Tradition eines Schützenfestes interessiert gewesen. „Wir hatte ja auch einen gewissen Nachholbedarf“, sagt Risse lächelnd.

Erster Zapfenstreich nach langer Pause vor dem hohen Hause

Bereits am Samstagnachmittag hatten sich die beiden Schützenkompanien mit ihren Kompaniechefs Wolfgang Zorn und Hans Ritterbusch auf der Detmolder Straße vor dem Haus von König Carl Plaßmeyer aufgebaut. Die Kapelle Baule mit dem Rücken zum Wald an der Müllerburg stehend, spielte erstmals wieder „Preußens Gloria“ – den beliebten Schützenmarsch, den man lange nicht mehr gehört hatte.


Vor der Pickertschmiede: Lachend winkt König Wolfgang Zorn den Zuschauern aus der Kutsche zu, als sie am Alten Gasthaus Nagel (im Volksmund: Pickertschmiede) vorbeifahren. Neben ihm Gustav Hufendiek. Kutscher ist Heinrich Butenholz, daneben Thronadjutant Heinz Risse.

Dann gab es die berühmte Bierpause – Freibier in Flaschen, spendiert von König Plaßmeyer. Die Offiziere und der Thron wurden zu Schaumwein und Schnittchen ins Haus gebeten. Der erste Zapfenstreich fand „vor dem hohen Hause“, wie Carl Plaßmeyer immer sagte, statt – vor dem Amtsgericht am Stadthotel. Hauptmann Kurt Büker leitete die feierliche Zeremonie.

Dann ging es auf dem Schützenplatz weiter. Eine Riesenstimmung habe bereits am ersten Schützenfestabend geherrscht, erinnert sich

Heinz Risse. Die Eintrittspreise im Zelt lagen noch bei 50 Pfennig, mitmarschierende Schützen und deren Damen hatten freien Eintritt. Auf Bethlehem, dem hübsch gelegenen Kirmesplatz unterhalb des Festzeltes, hatten auch schon erste Verkaufsstände und ein Karussell den Betrieb aufgenommen. Am Schützenfestmontag 1951 lief die grün-weiße Schützenparty dann schon so routiniert und locker ab, als ob es nie eine Zwangspause wegen des Krieges gegeben hätte. Das Bier von Festwirt Wilfried Meyer vom Sternenkrug schmeckte allen hervorragend, alsbald setzte das muntere Königschießen ein.

Erster neuer Schützenkönig der Nachkriegszeit wurde der allseits beliebte Kompaniechef der ersten Kompanie, Wolfgang Zorn. Er wählte sich zur Königin Elisabeth Niestrath. Wolfgang Zorn, der damals mit seiner Familie in einem Haus hinter dem Ceweco-Gebäude an der Detmolder Straße wohnte, war Geschäftsführer eines Bielefelder Unternehmens für Werbemittel. Er starb später leider viel zu früh im Alter von 46 Jahren.

Der erste Überschuss wurde gleich wieder investiert

Das erste Nachkriegsschützenfest erwies sich von Anfang an als voller Erfolg. In der Chronik steht, dass die Einnahmen des Festes bei 6.680 Mark lagen, und ein Überschuss von 776 Mark in die Schützenkasse gespült wurde. Noch im selben Jahr allerdings investierten die Schützen ihr Kapital wieder in die Herrichtung des Schützenplatzes, denn das Gelände wirkte immer noch ein wenig provisorisch. Man benötigte dringend eine Damentoilette am Küchengebäude, und am Schießstand ersetzte eine neue Mauer die baufällige Holzverblendung.

Im nächsten Jahr ging es dann mit Volldampf weiter. 1952 wurde bereits eine dritte Kompanie aufgestellt, die Mitgliederzahl machte einen Sprung von 310 auf 412 und das neue Königspaar 1952 hieß Fritz Brüntrup und Herta Kindsgrab.

Die Weichen für den Neustart des Schützenfestes hatten vorher bereits die Gründungsversammlung im November 1949 und die Generalversammlung Ende 1950 gestellt. Der erste Vorstand der Oerlinghauser Schützengesellschaft setzte sich zusammen aus: Ehrenvorsitzender Richard Sprenger, Vorsitzender Gustav Hufendiek, Stellvertreter Carl Plaßmeyer, Schriftführer Wilhelm Plaßmann, Kassenwart Gustav Westerheide, Beisitzer Wilhelm Kleineweke.

Als Offiziere wählte die Generalversammlung: Georg Drewes, Kurt Büker, Adolf Haase und Reinhard Koch. Alle waren bereits vor dem Krieg im Offizierskorps. Als neue Offiziere kamen hinzu: Martin Kobusch (Major), Hans Ritterbusch, Fritz Blume jr., Hermann Diekmann, Werner Spilker, Ernst August Heißenberg und Reinhard Niewald.

Quelle: Neue Westfälische

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner