Zuletzt aktualisiert am 10. September 2018
Königsschießen am Steinbült: Das hat es noch nie gegeben. Zum dritten Mal wird Heinrich Schindowski als Majestät die Schützen im Bielefelder Schützenkreis anführen.
Es ist Samstagmittag, als Heinrich und Ingrid Schindowski in ihrem Wohnzimmer in Oerlinghausen sitzen und über das Kreiskönigsschießen des Schützenkreises Bielefeld reden, das am Nachmittag auf dem Schützenplatz am Steinbült stattfindet. „Ich glaube, Du holst nachher den Adler runter“, sagt Ingrid Schindowski zu ihrem Mann – sie sollte Recht behalten.
Um 17.20 Uhr legt Heinrich Schindowski zum dritten Mal an diesem Tag auf den im Hochstand hängenden Holzvogel an, zielt, drückt ab. Ein lauter Knall ertönt, fast gleichzeitig fällt der Restadler zu Boden. Mit einem breiten Grinsen dreht sich Heinrich Schindowski zu den Beifall klatschenden Schützen und Besuchern um, die an diesem Tag das Schauspiel am Steinbült verfolgen, und reckt die Siegerfäuste in die Höhe. Glückwünsche und Händeschütteln folgen, ehe Heinrich Schindowski auf den Schultern von Robin Grote und Chris Sauer davongetragen wird.
Dass der 68-Jährige damit etwas ganz Besonderes geschafft hat, ist ihm und vielen anderen schnell bewusst. Nach 2005/06 und 2009/10 ist Heinrich Schindowski schon zum dritten Mal Kreiskönig geworden. „Das gab es glaube ich noch nie“, sagt sich Frank Becker, Vorsitzender des Schützenkreises Bielefeld, ehe er und die anderen Vorstandsmitglieder noch nicht ganz ernst gemeint überlegen, wie Schindowski denn nun genau genannt werden muss. „Beim ersten Mal ist man König, beim zweiten Mal Kaiser und beim dritten Mal heißt man dann glaube ich Imperator“, scherzt Becker bei der Siegerehrung unter dem Gelächter der Besucher. Dabei lobt er auch einen spannenden Wettkampf, der zuvor in Oerlinghausen stattgefunden hat.
53 ehemalige Majestäten aus sieben Vereinen des Schützenkreises Bielefeld sind an diesem Tag in die Bergstadt gekommen, um Kreiskönig zu werden.
Dass der Wettbewerb in Oerlinghausen stattfindet, liegt an Sören Grote. Das langjährige Mitglied der Oerlinghauser Schützengesellschaft hatte im vergangenen Jahr in Heepen den Vogel abgeschossen, weswegen der Wettbewerb nun am Steinbült stattfindet. In der Reihenfolge der Startnummern dürfen die Ex-Regenten auf den Holzadler anlegen. Der Älteste in der Reihe ist Paul Jäger aus Dornberg. „Ich wollte trotz meines hohen Alters gerne mitschießen“, erzählt der 90-Jährige.
Heinrich Schindowski ist jetzt Imperator
Ziemlich zügig fallen an diesem Tag die Insignien. Mit dem 11. Schuss holt Stadtschänke-Wirt Rolf Hilker, Oerlinghauser Regent der Jahre 2012/13, den Apfel herunter. Günter Witzig von der Schützengesellschaft des Amtes Heepen schießt dem Adler mit dem 21. Schuss die Krone vom Haupt, mit dem 23. Schuss fällt durch Stefan Schneider (Heepen) das Zepter. Dass das so schnell geht – auch die Flügel ist der Holzadler relativ schnell los. Das alles lässt einige Schützen mit den höheren Startnummern befürchten, dass sie gar nicht mehr an die Reihe kommen.
Das bleibt auch den beiden Oerlinghauser Tischlern Paul Gerhard Lange und seinem Sohn Bernhard Lange nicht verborgen. Sie haben die Aufgabe übernommen, die Holzadler für die Oerlinghauser Königsschießen zu bauen. Das erste von ihnen gefertigte Exemplar erlebt beim Kreiskönigsschießen seine Feuertaufe. Aus einiger Entfernung verfolgen die beiden das Schauspiel, bleiben nach dem fixen Beginn aber ziemlich gelassen. „Keine Sorge, der Rumpf, kann einiges ab“, verrät Paul Gerhard Lange, der in der Tischlerei Hunke sein Handwerk gelernt und schon damals dort Adler für das Oerlinghauser Schützenfest gebaut hatte.
Er sollte Recht behalten, denn der Restadler erweist sich in der Folge als ziemlich hartnäckig. Bei Pommes und Bratwurst, Kaffee und Kuchen sowie Kaltgetränken – die Thekentaucher samt Freunden übernehmen unter Leitung von Robin Grote an diesem Tag die Bewirtung – beobachten die Besucher das Schießen. Musik kommt an diesem vom Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Bad Lippspringe. Schuss um Schuss wird der Vogel auseinandergerupft, ehe er nach knapp zweieinhalb Stunden nur noch extrem wackelig im Kugelfang hält. Klar ist zu diesem Zeitpunkt: der nächste der trifft, ist Kreiskönig. Eigentlich wäre Oerlinghausens Ehrenvorsitzender Kristian Hoffmann nun an der Reihe, aber er lässt Heinrich Schindowski den Vortritt. Diese Chance lässt sich der Inhaber der gleichnamigen Gärtnerei natürlich nicht nehmen.
„Vorbeischießen kann ich nicht“, sagt der neue Kreiskönig später mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Obwohl es meine Frau ja schon geahnt hatte, war das natürlich nicht geplant“, erzählt Schindowski, der seit Jahrzehnten einer der ehrenamtlichen Aktivposten im Unteroffizierkorps der Oerlinghauser Schützen ist. Denn bei mehr als 50 Mitschützen sei es am Ende auch eine Glückssache, wer den Holzvogel abschießt. „Ein absolut würdiger Nachfolger. Damit ist auch klar, dass das nächste Kreiskönigsschießen wieder bei uns in Oerlinghausen stattfinden wird“, findet Schindowskis Vorgänger Sören Grote, der zur Erinnerung eine große Holzscheibe bekommen hat. Zwei von der Sorte hat auch Heinrich Schindowski schon. „Die hängen auf der Terrasse“, sagt der 68-Jährige und lacht: „Für die Dritte ist da aber auch noch Platz.“
Zuvor hatte bereits das Kreisjugendkönigsschießen stattgefunden, bei dem der 13-jährige Malte Zurheide von der Heeper Schützengesellschaft mit dem 199. Schuss den Restadler und ein wenig Wind-Unterstützung den Adler heruntergeholt hatte. „Damit hatte ich nicht gerechnet“, verrät Malte, der sei drei Jahren in Heepen hauptsächlich Luftgewehr schießt. Aus den Händen seines Vorgängers Jobst Schliephake (Nienhagen), der auch den Adler fürs diesjährige Schießen gebaut hatte, bekam er die Kette und die Schärpe verliehen. Kaspar Siewecke (Heepen) hatte sich mit dem 129. Schuss die Krone gesichert. Marc Hülsmann (Heepen) holte mit dem 98. Schuss das Zepter und Isabel Niehage (Nienhagen) mit dem 66. Schuss den Apfel herunter. 17 Jugendliche aus vier Vereinen hatten an diesem Wettbewerb teilgenommen. „Ein ordentliches Ergebnis“, urteilten die Jugendleiter Daniel Diestelmeyer, Timo Wißmann und Marcel Wilhelm.