Zuletzt aktualisiert am 26. Juni 2016
Stadtgeschichte: Seit 1925 feiert Oerlinghausen sein Kinderschützenfest. In der Schützengesellschaft kümmerten sich die Unteroffiziere schon früh um den Nachwuchs
Die Oerlinghauser haben in vielen Dingen die Nase vorn: 1590 bereits gründete sich im Dorf eine der ältesten Schützenvereinigungen in Nordwestdeutschland, 1928 eröffnete man den frühesten Kindergarten der Region, und schon im Jahre 1925 wurde in Oerlinghausen das wohl erste Kinderschützenfest weit und breit gefeiert.
Es war recht kühl an diesem Sonntag, dem 28. Juni 1925. Doch trotz der gedämpften Temperaturen tummelten sich Dutzende von Oerlinghauser Jungen und Mädchen auf dem Festplatz am Steinbült. Auf großen Plakaten hatte die Schützengesellschaft sie zum ersten Kinderschützenfest eingeladen – just eine Woche vor dem richtigen Schützenfest.
Das Unteroffizierskorps, das erst zwei Jahre zuvor – noch in der Inflationszeit – aus der Taufe gehoben worden war, erhielt seinerzeit vom Vorstand den Auftrag, dieses außergewöhnliche Kinderfest zu organisieren. Eine weitblickende Aktion, um sich schon damals den Vereinsnachwuchs zu sichern.
Zu diesem Zeitpunkt regierte das Königspaar Ernst Reuter und Alma Plaßmeyer über bereits 470 Oerlinghauser Schützenmitglieder. Sie errangen die Königswürde ein Jahr zuvor auf dem gutbesuchten Schützenfest im Jahr 1924. Für die Musik sorgte damals die Kapelle des Reiterregiments Nummer 6 aus Hannover, das mit 21 berittenen Musikern auftrat.
In der Chronik heißt es später über das erste Kinderfest ganz sachlich: „Am 28. 6. 1925 fand erstmalig ein Kinderschützenfest statt, welches unter großer Beteiligung gefeiert wurde. Die Knaben von 10 bis 14 Jahren schossen nach einem Holzadler, und Richard Büker, Sohn des Bäckermeisters Büker, Bahnhofstraße, wurde erster Schützenkönig. Gertrud Pott, Tochter des Malermeisters Pott, erste Königin.“
Das Kinderschützenfest war auf Anhieb ein Volltreffer. Alle Jahre wieder stand für die Schützen in kurzen Hosen von nun an das Adlerschießen auf dem Programm. Und jedes Jahr fieberten die Kinder schon lange vorher dem munteren Fest im Sommer entgegen. Während die Oerlinghauser Jungen im Schießwettbewerb den Holzadler Stück für Stück zerlegten, fragten sich die Mädchen, ob sie wohl diesmal als eine der Throndamen ausgewählt würden.
Während des Zweiten Weltkriegs stellte man alle Schützenaktivitäten ein, doch im Jahre 1951, als auch die erwachsenen Schützen von der britischen Besatzungsmacht die Erlaubnis zum Adlerschießen erhielten, bereitete das Unteroffizierskorps sogleich auch das Kinderschützenfest mit vor. Als erste Kinderregenten wurden damals Ernst-Dieter Koch und Ingrid Niewald mit Lorbeerkranz und Blumengesteck ausgezeichnet.
Es waren immer die Unteroffiziere und ihre Frauen, die die kleinen Schützen und ihre herausgeputzten Throndamen betreuten. Wilhelm Bernhardt, der als langjähriger Unteroffizierskorps-Vorsitzender („Spieß“) mit dabei war, erinnert sich an die große Resonanz bei Oerlinghauser Kindern: „Wir haben alljährlich um die 400 Karten verkauft. Besonders beliebt war neben dem Adlerschießen immer unsere große Verlosung mit hübschen Gewinnen. 25 Preise für die Jungen und 25 Preise für die Mädchen – immer ganz gleichberechtigt.“
Es waren oftmals auch die kleinen Pannen und Unzulänglichkeiten der frühen Jahre, an die man später gern zurückdenkt. Hans Kronshage, der 1955 den Adler abschoss, erinnert sich einen Festumzug in den späten 50er Jahren „Damals gab es keine Schnittblumen für die Blumenreigen, die beim Umzug mitgeführt wurden – also habe wir eine Menge Kartoffelblüten gesammelt und sie zu Blumenkränzen verarbeitet.“ Wilhelm Bernhardt denkt auch an ein total verregnetes Kinderschützenfest zurück. Beim Festmarsch am Sonntag goss es so stark, dass seiner Tochter das Regenwasser bis zu den Knien in den Gummistiefeln stand. „Bei den Spielen auf dem Schützenplatz waren aber alle wie immer dabei“, sagt er.
Wettangeln, Dosenwerfen oder Kegeln stand auf der Beliebtheitsliste der Kinder ganz oben. Und als eine besondere Herausforderung früherer Jahre galt das Klettern auf einen dickeren Holzpfahl an dessen Spitze viele hübsche Präsente baumelten.
Auch das große Engagement der Schützendamen hob Bernhardt hervor: „Während sich die Kinder an den Spielständen vergnügt haben, wurde von unseren Frauen bereits für den amtierenden und den neuen Thron die Kaffeetafel gedeckt, und später haben sie die Kleinen mit Kuchen und Getränken versorgt.“ Über ein Vierteljahrhundert lang kümmerten sich zum Beispiel Erika Bernhardt, Heidi Riesenberg, Irmgard Buddenberg und Rosi Büker um die liebevolle Bewirtung der Kleinen.
An der guten Tradition hat sich bis in unsere heutigen Tage nichts geändert, nur die Zusammensetzung des „Uffz-Korps“ der Oerlinghauser Schützen hat sich naturgemäß verjüngt. Heute ist Markus Höhne Vorsitzender der Unteroffiziere, Raphael Peters sein Stellvertreter. Als Ehrenvorsitzende beraten aber weiterhin Günter Tyzack und Wilhelm Bernhardt die grün-weiße Gesellschaft.
Quelle: Neue Westfälische