Zuletzt aktualisiert am 1. Juli 2024
So richtig kann es Nico Schmidt noch gar nicht fassen. Soeben hat der Zehnjährige mit dem 162. Schuss den entscheidenden Treffer gelandet, den Holzadler zu Boden befördert und sich so zum neuen Kinderschützenkönig der Oerlinghauser Schützengesellschaft gekürt. Mit einem noch etwas ungläubigen Blick – aber einem leichten Lächeln auf den Lippen – nimmt Nico die ersten von zahlreichen Glückwünschen entgegen.
Zu den Gratulanten gehört auch die neue Kinderschützenkönigin. Es ist Mia Michael, die beinahe selbst den Vogel abgeschossen und sich so zur Regentin gekürt hätte. Denn wie viele andere Mädchen auch hatte Mia selbst zuvor fleißig mitgeschossen. Seit 2023 können Mädchen und Jungen beim Kinderkönigsschießen mitmachen. „Ein längst überfälliger Schritt“, hatte Oberst Christian Landerbarthold schon damals gesagt. Und so kommt es an diesem Tag zu einer schönen Premiere: Mit dem 88. Schuss gelingt es Luisa Selke, die Krone vom Haupt des Holzadlers herunterzuschießen. Es ist das erste Mal, dass sich ein Mädchen eine Insignie sichert. Zum Kronprinzen wählt sich die Elfjährige Finn Moshage.
Zuvor war mit dem 45. Schuss das Zepter aus den Klauen des Holzadlers befreit worden, was Ferdinand Stumpf gelungen war. Zusammen mit Luna Hoffmann bildet er das Zepterprinzenpaar. Mit dem 25. Schuss hatte Timo Schmidt – der große Bruder von Kinderschützenkönig Nico – den Apfel abgeschossen. Merve Topselvi – die zuvor Kinderschützenkönigin war – wird seine Apfelprinzessin.
„Ausgerechnet heute habe ich keine Joppe an“, sagt Marius Schmidt mit einem Augenzwinkern bei der Proklamation. Denn für den Vater von Nico und Timo ist es als langjähriges, verdientes und aktives Mitglied des Unteroffizierskorps der Oerlinghauser Schützengesellschaft schon etwas Besonderes, dass es seine Söhne beide auf einmal auf den Kinderthron geschafft haben.
Dass Marius Schmidt an diesem Tag in Zivil und eben nicht in Oerlinghauser Schützenjoppe unterwegs ist, liegt auch an Tiefdruckgebiet „Annelie“. Das war in der Nacht von Samstag auf Sonntag durch die Region gefegt – begleitet von Gewitter und heftigem Starkregen. Aus diesem Grund hatte das Unteroffizierkorps, das seit 99 Jahren das Kinderschützenfest organisiert, am Tag vor der Veranstaltung nur das Nötigste der zahlreichen und über den gesamten Schützenplatz verteilten Spielstände aufgebaut. Zelte, Pavillons, Schirme und alles nicht Sturmbeständige waren sicherheitshalber im Lager geblieben. Deshalb hatten sich die Schützen für den Vormittag danach verabredet, um den Rest aufzubauen und um eventuelle Sturmschäden zu reparieren.
Diese hielten sich zum Glück in Grenzen. Dank großer Beteiligung war der restliche Aufbau auch schnell erledigt, jedoch wurden die fleißigen Helfer wegen des anhaltenden, heftigen Regens pitschepatsche nass. Da es über mehrere Stunden weiter wie aus Kübeln goss, mussten leider das Antreten und der Festmarsch durch die Stadt abgesagt werden. „Das hat mir vor allem für unser Kinderkönigspaar Max Kronshage und Merve Topselvi sowie die Throngemeinschaft sehr leidgetan, da der Umzug ein Highlight für sie ist. Die Absage war aber alternativlos“, sagt Oberst Christian Landerbarthold.
Das Kinderschützenfest ganz abzusagen kam hingegen nicht infrage. Denn für den Nachmittag war eine Regenpause vorhergesagt worden – und genau so kam es. Mit der Eröffnung der Spielstände blieb es trocken. Viele Familien nutzten die Gelegenheit und strömten zum Festgelände. Dort tobten und spielten die Kinder übers Gelände, tummelten sich an den zig Spielständen der Unteroffiziere, nahmen am Kinderkönigsschießen teil und fieberten bei der großen Tombola möglichen Gewinnen (Hauptpreise waren zwei Fahrräder) entgegen. „Angesichts der Voraussetzungen können wir am Ende sehr zufrieden sein. Es ist richtig klasse, wie viele Leute gekommen sind. Mein Dank gilt dem gesamten Unteroffizierkorps sowie den vielen engagierten Schützenschwestern und Schützenbrüdern, die das alles wieder einmal möglich gemacht haben“, lautet das positive Fazit von Oberst Landerbarthold.