Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2015
Oerlinghauser Tönsbergwacht mangelt es nicht an Einfällen für den Schützenspaß
Sie tragen Lederhosen, grüne Jagdhemden, rote Stutzen und Tirolerhüte. Sie sind ausgebildet für die Höhenrettung, im Fall von akuter Bergnot, Seenot und Schützenfest sind sie sofort zur Stelle – die Männer der Oerlinghauser Tönsbergwacht. Seit 40 Jahren belustigt die Juxtruppe der Oerlinghauser Schützengesellschaft das Bergvolk beim Schützenspaß am Montagmorgen. So auch nächste Woche.
„Alles jubelt, alles lacht – Wir haben eine Tönsbergwacht.“ Unter diesem Motto trat am Schützenfestmontag 1967 erstmals die neu gegründete Tönsbergwacht in Aktion. Heinz Meiser und Günther Bunte hatten damals zur Gründung aufgerufen. Schließlich ist der Tönsberg mit seinen 334 Höhenmetern nicht zu unterschätzen. Wegen der steilen Kletterhänge und der gefährlichen Nordwand ist das Zentralmassiv des Teutoburger Waldes bei Norditalienern nicht umsonst als „Monte Töns“ bekannt. So ist die sich ständig verjüngende Truppe seither zur Höhenrettung bereit und sorgt mit ihren Auftritten am Montagmorgen für gute Stimmung.
An guten Einfällen mangelt es den 21 aktiven Bergwächtern, darunter drei Gründungsmitglieder, oft nicht. Meist nehmen sie lokale Ereignisse zum Anlass, um mit spitzfindigem Humor etwas kritisch anzumerken. Bereits 1977 eröffnete die Bergwacht beispielsweise den Nord-Süd-Tunnel durch den Tönsberg mit Einfahrt direkt neben der Melmschen Hirsch-Apotheke. Als 18 Jahre später dann wirklich ein Tunnel gebaut wurde, zeigte die Bergwacht als „Tunnelwacht“ ihre Flexibilität. Oft wurden auch die Lokalpolitiker durch den Kakao gezogen. 1989 holte die Bergwacht etwa einen Primatenpark nach Oerlinghausen, hielt eine öffentliche (Affen-)Ratssitzung ab und schenkte dem damaligen Bürgermeister und Bergwächter Horst Steinkühler gar das erste neugeborene Äffchen.
Ob 1987 als mit Baguettes bewaffnetem „Corps de le tireurs“ (Bergwacht) aus Oerlinghausens französischer Partnerstadt Villers-les-Nancy, als Knastologen auf Urlaub (1982), als Römische Leibgarde für Imperator und Schützenkönig Horst (Steinkühler, 2001) oder als Veranstalter der Steubenparade im vergangenen Jahr – die Bergwächter sind schon in so manche Rolle geschlüpft. Ihre Auftritte sind vor dem Montagmorgen natürlich ein streng gehütetes Geheimnis, auch in diesem Jahr.
Wohlbekannt dürfte den meisten hingegen der Ruf der Bergwächter sein. Ein „Dreifach kräftiges Berg Heil, (und diese Runde war wieder umsonst)“ ist auf dem Schützenfest schließlich mehr als einmal zu hören, oft in der Nähe ihres Abseilplatzes in der Nähe des Schießstandes auf dem Schützenplatz am Steinbült. Von dort aus beobachten sie nach ihren Auftritten das traditionelle Königsschießen.
Etwas früher im Jahr schießt die Juxtruppe ihren eigenen Bergwachtkönig aus. Seit 1983 haben die Höhenretter eigene Regenten, die ersten hießen Horst Hilbert und Hede Berghammer. Trotz einer akribisch geführten Chronik ist das Königspaar der Jahre 1989/90 nicht mehr nachvollziehbar. Diese Lücke in der Geschichte der Bergwacht darf natürlich nicht bestehen bleiben. Daher haben die Bergwächter beschlossen, demnächst bei Mineralwasser in Klausur zu gehen und weißen Rauch aufsteigen zu lassen, sobald die Namen erfolgreich recherchiert wurden.
Trotz ihres langen Bestehens musste die Bergwacht noch zu keinem Rettungseinsatz aufbrechen. Und das trotz eines laut eigenen Angaben hervorragendem Ausbildungsstandes. Wer dennoch einmal einen akuten Fall von Bergnot, Seenot oder Schützenfest erleiden sollte, der kann der Bergwacht eine Postkarte mit dem Stichwort „Notruf“ an die Tönsberghöhe 1 in Oerlinghausen schicken. Die Männer der Bergwacht würden ohne zu zögern zu Hilfe eilen – und sei es bei ihren Auftritten am Schützenfestmontag.
Quelle: Neue Westfälische