Jux zu früher Stunde

Schützengesellschaft: Seit 40 Jahren wirken die „Montagmorgen-Wibbel-Weiber“ beim Schützenfest in Oerlinghausen mit. Wie aus einer fixen Idee ein fester Programmpunkt geworden ist.

„Oerlinghausen, deine Töchter“: Quirlig sind die „Montagmorgen-Wibbel-Weiber“ auch nach 40 Jahren noch. Während des Schützenfestes laufen sie an dem Tag morgens um 6.30 Uhr zur Hochform auf.

In den 428 Jahren ihrer Geschichte war die Oerlinghauser Schützengesellschaft stets männlich geprägt. So sind Frauen zum Beispiel nicht beim Schießen auf den Adler zugelassen. Vor 40 Jahren geriet diese Vorherrschaft etwas ins Wanken. 1978 nämlich formierte sich erstmals eine weibliche Juxtruppe.

In jenem Jahr zogen am Schützenfestmontag die Herren der „MSKK“ (Mobile Schützen-Katastrophen-Kolonne) in aller Frühe gemeinsam los. Das Ziel der Juxtruppe war die Melmsche Apotheke, um dort in Verkleidung wie üblich Schabernack und Späße zu treiben.

„Unsere Männer waren weg – und was machen wir?“ Diese Frage stellten sich die Ehefrauen Irmgard Ahring, Marianne Gronemeyer, Doris Hochwald, Margret Klocke, Marianne Mann, Annegret Meier und Monika Fillies (verstorben). Kurzerhand zogen sie die zu Hause verbliebenen Uniformjacken ihrer Ehemänner und schwarze Hosen an. „Wir wollten unsere Männer überraschen“, erinnerte sich Marianne Gronemeyer. Das ist ihnen dann auch gelungen.

Ein Glas Bier macht den Verstärker leise

Allerdings war der Weg dahin doch beschwerlich. Erst stürzte der Puppenwagen um, der ihre Verpflegung enthielt. Vor dem Stadthotel purzelten sämtliche hartgekochten Eier heraus und zerbrachen. Außerdem erwies sich das große Plakat als Problem, das zunehmend schwerer wurde. Auf ihm war zu lesen: „Wir sorgen für Nachwuchs“. Marianne Gronemeyer: „In der Eile haben wir eine Textiltapete verwendet und nicht daran gedacht, Löcher hineinzuschneiden.“ Gleichwohl gelang den sieben Frauen der Coup. Als sie dann auch noch ordnungsgemäß antraten, karikierten sie die männlichen Rituale endgültig.

Der Ulk war so erfolgreich, dass er im nächsten Jahr fortgesetzt wurde. Zu den Ehefrauen der „MSKK“-Mitglieder stießen weitere Schützenschwestern hinzu. Heute machen 45 Frauen mit. In Anbetracht ihrer überschwänglichen Freude fand sich schon bald ein Name: die „Montagmorgen-Wibbel-Weiber“.

Etwa drei Monate vor dem Schützenfest kommen die Frauen privat zusammen, um das nächste Motto auszuwählen und die Kostüme zu nähen. 1980 trug jede Frau eine Tonne, auf die eine Uniform aufgemalt war. „Ein Thron für alle Fälle“ lautete das Motto, weil die Bildung des Hofstaates etwas langwierig gewesen war. 1986 traten sie in karierten Hemden und mit Tirolerhut in Erscheinung, 1990 als Cheerleader mit Pompons, 2006 als Cowboy und Indianer, 2008 war „Flower Power“ angesagt. „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ lautete ein anderes Motto. „Vorher war es wochenlang rattenkalt“, sagte Annegret Meier. „Trotzdem hatten wir am Schützenfestmontag Bademoden an – und waren damit genau richtig gekleidet, denn plötzlich wurde es sehr warm.“ 2001 wählten die „Wibbel-Weiber“ beziehungsreich „1001 Nacht“ als Motto. Zum großen Erstaunen aller Zuschauer konnten sie sogar ein lebendiges Kamel mitführen.

„Nur mit der Musik hatten wir immer ein Problem“, meinte Monika Scheler. „Wir hatten wohl einen Ghettoblaster dabei, aber er funktionierte nicht. Einmal haben wir eine Verstärkeranlage mitgenommen, doch dummerweise ist dann ein Glas Bier hineingefallen.“

Deshalb verlassen sich die „Wibbel-Weiber“ inzwischen auf die eigene Stimme. Damit auch alle textsicher mitsingen können, gaben sie eine „Sing(k)fibel“ heraus. In diesem Jahr erscheint bereits eine neue Ausgabe mit 23 Liedern. Dazu zählen „Wo war ich in der Nacht von Freitag auf Montag?“, das „Hupka-Dupka-Lied“, „Schützenfest da bin ich daheim“ und andere, nicht immer jugendfreie Songs.

Während die „Bergwacht“ und die „Vümfte“ später zum Rathausplatz wechselten, um dort vor großem Publikum das aktuelle Geschehen durch den Kakao zu ziehen, treten die „Montagmorgen-Wibbel-Weiber“ weiterhin ausschließlich vor der Apotheke auf. „Das reicht uns, eine größere Bühne streben wir gar nicht an“, erklärte Irene Schulz, liebevoll „Chefin“ genannt, weil sie die organisatorischen Fäden in der Hand hält. „Wir machen das ja nur für uns.“

Und was wird in diesem Jahr aufs Korn genommen? „Da sind sich alle „Wibbel-Weiber“ einig: „Das bleibt bis zum Schützenfestmontag um 6.30 Uhr top secret!“

Quelle: Neue Westfälische

 

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